Ein bemerkenswerter Rechtsstreit beschäftigt derzeit den Bundesgerichtshof. Ein inzwischen verstorbener Mann hatte seinem Hausarzt ein Grundstück zugesagt – im Gegenzug für ärztliche Versorgung. Diese Vereinbarung sorgt für Diskussionen über rechtliche und berufsethische Grenzen.
Inhaltsverzeichnis:
- Hausarzt aus Nordrhein-Westfalen erhielt Grundstückszusage
- Ärztekammer Westfalen-Lippe sieht Verstoß gegen Berufsordnung
- Besonderheit: Erbvertrag statt Testament
Hausarzt aus Nordrhein-Westfalen erhielt Grundstückszusage
Im Januar 2016 schlossen ein Patient und sein Hausarzt einen notariell beglaubigten Vertrag, in dem ärztliche Leistungen gegen ein Grundstück nach dem Tod des Patienten getauscht wurden. Der sogenannte „Betreuungs-, Versorgungs- und Erbvertrag“ verpflichtete den Arzt unter anderem zu Hausbesuchen und ständiger telefonischer Erreichbarkeit. Zwei Jahre später starb der Patient. Das Grundstück sollte laut Vertrag in den Besitz des Arztes übergehen.
Nach dem Tod des Patienten trat jedoch eine unerwartete Wendung ein. Der Arzt meldete Insolvenz an. Sein Insolvenzverwalter versuchte daraufhin, das Grundstück in die Insolvenzmasse aufzunehmen. Die Gerichte in Bielefeld und Hamm wiesen die Klage jedoch ab.
Ärztekammer Westfalen-Lippe sieht Verstoß gegen Berufsordnung
Laut Berufsordnung der Ärztekammer Westfalen-Lippe dürfen Mediziner keine Geschenke oder Vorteile annehmen, wenn dadurch ihre Unabhängigkeit infrage gestellt werden könnte. Die Vereinbarung mit dem Grundstück sei daher unzulässig. Die Gerichte entschieden, dass der Hausarzt gegen diese Vorschrift verstoßen habe. Das Vermächtnis sei nichtig.
Diese Regelung basiert auf der Musterberufsordnung der Bundesärztekammer. Obwohl nicht direkt bindend, wurde sie von vielen Landesärztekammern übernommen. Die Vorschriften zielen auf die Wahrung des Vertrauensverhältnisses zwischen Ärzten und Patienten. Der Fachanwalt für Medizinrecht Torsten Münnch betont, dass nicht eine tatsächliche Einflussnahme entscheidend sei, sondern der bloße Eindruck einer möglichen Abhängigkeit.
Besonderheit: Erbvertrag statt Testament
Ein zentrales Detail des Falls ist die Form der Zuwendung. Das Grundstück wurde nicht testamentarisch, sondern im Rahmen eines bindenden Erbvertrags zugesagt. Im Gegensatz zur im Grundgesetz verankerten Testierfreiheit, die freie Verfügungen im Testament erlaubt, verpflichtet ein Erbvertrag zu bestimmten Leistungen. Der Insolvenzverwalter berief sich zwar auf ein Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt aus einem ähnlichen Fall, konnte sich jedoch nicht durchsetzen, da es sich damals um ein Testament handelte.
Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs wird zeigen, wie verbindlich ärztliche Berufsordnungen gegenüber privatrechtlichen Verträgen durchgesetzt werden. Das Urteil könnte weitreichende Folgen für vergleichbare Vereinbarungen haben.
Kerninformationen im Überblick:
- Vertrag vom Januar 2016: ärztliche Leistungen gegen Grundstück
- Arzt wird 2018 insolvent, Grundstück soll in Insolvenzmasse übergehen
- Gerichte in Bielefeld und Hamm wiesen Klage ab
- Berufsordnung untersagt solche Geschenke
- Fall landet vor dem Bundesgerichtshof
Ob bereits ein Urteil ergeht, ist derzeit offen. Der Fall bleibt vorerst juristisch und ethisch umstritten.
Quelle: Radio Waf